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Groko-Ziele: Mehr Bio, weniger Spritzmittel

Viereinhalb Monate nach der Bundestagswahl sind in Deutschland jetzt die Weichen für eine neue Große Koalition gestellt. Gestern verkündeten die drei Parteichefs von CDU, CSU und SPD – Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz – die Einigung über den Koalitionsvertrag. Das Papier mit dem Titel „Ein neuer Aufbruch für Europa – Eine neue Dynamik für Deutschland – Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“ umfasst 177 Seiten und enthält auch ein sieben Seiten umfassendes Kapitel zum Thema „Landwirtschaft und Ernährung“. Darin wird unter anderem eine Weiterentwicklung und Neujustierung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) gefordert. Im Bereich Ackerbau will die künftige Regierung den Anbau von Eiweißpflanzen forcieren, den Biolandbau deutlich ausbauen und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren. Als wichtiger Schwerpunkt wird der Tierschutz genannt. Ein weiteres Ziel ist es, den Flächenverbrauch zu halbieren.

„Unser Ziel ist eine nachhaltige flächendeckende Landwirtschaft – sowohl ökologisch als auch konventionell. Nachhaltige Landwirtschaft und Naturschutz sind keine Gegensätze“, heißt es eingangs im Koalitionsvertrag. „Der gesellschaftliche Wandel im Agrarbereich und die veränderten Erwartungen der Verbraucher bedürfen einer finanziellen Förderung – national wie europäisch“, wird betont. Notwendig sei in diesem Zusammenhang eine Weiterentwicklung und Neujustierung der GAP. „Wir streben eine Haushaltsausstattung im bisherigen Volumen auf EU-Ebene an, aber die Förderstrukturen nach 2020 müssen gezielter und einfacher als bisher ausgerichtet werden. Wir wollen weniger Bürokratie und mehr Effizienz für eine marktfähige Landwirtschaft, die gesunde Lebensmittel nachhaltig produziert“, so der Wortlaut.

„Patente auf Pflanzen und Tiere lehnen wir ab, ebenso das Klonen von Tieren zur Lebensmittelerzeugung. Wir halten an der Saatgutreinheit fest“, wird betont. Ein Gentechnikanbau-Verbot solle bundesweit einheitlich geregelt werden (Opt-Out-Richtlinie der EU). Was die neuen molekularbiologischen Züchtungstechnologien betreffe, so wolle die neue Regierung gegebenenfalls auf nationaler Ebene Regelungen vornehmen, „die das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit gewährleisten“.

Ausgehend von der Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau will die Koalition den Biolandbau weiter ausbauen, um „einen Flächenanteil von 20% nachfrageorientiert und bei Ausbau der Forschung bis zum Jahr 2030 zu erreichen“. Vorhaben zur besseren regionalen Wertschöpfung und Vermarktung sollen gefördert werden.

Die Umsetzung der Ackerbaustrategie soll „gemeinsam mit der Landwirtschaft“ erfolgen. Sie sieht unter anderem die „umwelt- und naturverträgliche Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ vor und soll mit Fördermitteln für Maßnahmen zur Umsetzung der Biodiversitätsstrategie und des Insektenschutzes unterstützt werden. Erklärtes Ziel der Koalitionsparteien ist es, den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren und für eine bessere Transparenz der Zulassungsverfahren von Wirkstoffen und Pflanzenschutzmitteln auf EU- und nationaler Ebene zu sorgen. Gleichzeitig sei es im Sinne der Landwirte, dass Zulassungsverfahren zügig durchgeführt werden, heißt es in dem Papier.

Um eine Verbesserung des Tierwohls in der Nutztierhaltung zu erreichen, seien Investitionen und Offenheit für die Modernisierung tierwohlorientierter Ställe notwendig. Dabei wolle man die Landwirte unterstützen, wird betont. Geplant ist auch ein bundeseinheitliches Prüf- und Zulassungsverfahren für serienmäßig hergestellte Tierhaltungssysteme bei Nutz- und Heimtieren. Weiters sollen Lücken in den Haltungsnormen im Tierschutzrecht geschlossen werden. Das Töten von Eintagsküken soll bis zur Mitte der Legislaturperiode beendet werden. Zur Ferkelkastration sollen weitere tierschutz- und praxisgerechte Alternativen gesucht werden. Den Weg der Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung will die Koalition fortsetzen. Einbrüche in Tierställe sollen als Straftatbestand effektiv geahndet werden.

Um den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2030 auf maximal 30 ha/Tag zu halbieren, soll geprüft werden, mit welchen zusätzlichen planungsrechtlichen und ökonomischen Instrumenten das Ziel am ehesten erreicht werden kann.

Der Koalitionsvertrag enthält auch Ziele zu einzelnen agrarischen Produktionssparten. Im Bereich der Milcherzeugung will die künftige Regierung Maßnahmen und Instrumente entwickeln, um auf schwere Krisen am Milchmarkt zukünftig besser vorbereitet zu sein. „Insbesondere die Modernisierung der Lieferbeziehungen halten wir hier für einen wichtigen Schritt“, wird festgestellt.

Im Zusammenhang mit der Weidetierhaltung wird auch auf das sensible Thema Beutegreifer Bezug genommen. „Im Umgang mit dem Wolf hat die Sicherheit der Menschen oberste Priorität. Wir werden die EU-Kommission auffordern, den Schutzstatus des Wolfs abhängig von seinem Erhaltungszustand zu überprüfen, um die notwendige Bestandsreduktion herbeiführen zu können“, wird betont. Unabhängig davon werde der Bund mit den Ländern einen geeigneten Kriterien- und Maßnahmenkatalog zur Entnahme von Wölfen entwickeln. Und weiter: „Wir wollen, dass Wölfe, die Weidezäune überwunden haben oder für den Menschen gefährlich sind, entnommen werden.“